Der Feuerbogen/Bowdrill
Der Feuerbogen (engl. Bowdrill) ist eine uralte Technik, mit der unsere Vorfahren schon vor tausenden von Jahren Feuer entzündet haben. Nach dem Handdrill ist es die rudimentärste Form aller Feuertechniken und es ist durchaus möglich, ihn ohne moderne Werkzeuge und nur aus Naturmaterialien zu bauen.
Im Bowdrill vereinen sich dabei vielfältigste Fertigkeiten und Wissen. Außerdem braucht man eine bestimmte seelische Verfassung, um erfolgreich zu sein.
In der Wildnispädagogik vergleichen wir den Bowdrill gerne mit dem Leben: es entsteht bei einem schweisstreibenden Akt mit viel Reibung Hitze. Diese Hitze wird zu einem kleinen Glut-Baby, welches langsam und ganz vorsichtig gefüttert und gepflegt werden will. Wenn die ersten Flammen züngeln, geht es allerdings ganz schnell: das Feuer wächst und gedeiht und jetzt gilt es, Grenzen zu setzen und den Rahmen für das junge Feuer zu gestalten, ansonsten wird es schnell zu groß und greift ohne Rücksicht um sich.
Diese Dualität aus Fürsorge und Autorität finden wir auch in allen Elementen der Erziehung und Begleitung von jungen und nicht mehr so jungen Menschen wieder. Deswegen glauben wir, dass das Meistern der Kunst des Bowdrills uns dabei unterstützen kann, zu Menschen zu werden, die sich selbst besser verstehen und im Griff haben und dass wir dadurch auch lernen können, positiver auf die Welt einzuwirken und konstruktiv zu verändern.
Einen Bowdrill allein zu bauen und erfolgreich zu benutzten erfordert nicht nur Geschick und Wissen, sondern auch Durchhaltevermögen, Disziplin und einen starken Willen. Wenn man das Feuer nicht stark genug herbeiwünscht, wird man keinen Erfolg haben, vor allem am Anfang, wenn man beginnt, sich mit dieser Technik auseinander zu setzen.
Welche Teile braucht man für ein gut funktionierendes Bowdrill-Set?
- Bogen
- Bogenschnur
- Handstück
- Spindel
- Bohrbrett
- Zundernest
- Feuerholz in verschiedenen Dicken
- Ggfs. Werkzeuge: Messer oder Beil
Der Bogen
Wir suchen uns ein passendes Stück Holz. Manche Menschen bevorzugen ein unbiegsames, gebogenes Stück Holz, welches genau passt. Andere nutzen gern ein flexibles, gerades Stück, welches die mehr Spannung auf die Schnur bringt.
Finde selbst heraus, was für dich besser funktioniert!
in seiner Länge sollte es vom Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen reichen. Er darf gerne ein wenig länger sein, aber nicht viel. An die Enden kommt jeweils eine kleine Kerbe. Es kann auch gerne ein Stück sein, welches an einem Ende eine kleine Gabelung hat, die kann man dann direkt nutzen, um die Schnur anzubringen.
Die Bogenschnur
Die Schnur sollte etwa 3mm-6mm dick sein, je nach Material. Am Anfang empfiehlt es sich, mit Paracord zu arbeiten. Er ist reißfest, günstig und eigentlich hat man ihn ja eh immer dabei. Sie wird fest am Stock angebracht. Es ist drauf zu achten, dass sie lang genug ist, um sich einmal (oder zweimal, je nach Technik) um die Spindel zu legen, aber fest genug, um starke Spannung aufbauen zu können, sobald sie um die Spindel gelegt wurde.
Für Fortgeschrittene: versucht einmal, selber eine Schnur aus Naturmaterialien zu fertigen. Hierzu eignet sich Brennnesselfaser oder auch eine Fichtenwurzel, die entsprechende bearbeitet wird.
Diese Technik ist zwar sehr schwer, aber wenn man sie beherrscht, kann man sich an die Königsdisziplin wagen: der Bowdrill ohne Messer und andere künstliche Werkzeuge zu bauen.
Das Handstück
Das Handstück baut den Druck auf die Spindel auf. Es sollte handtellergroß sein und aus einem möglichst harten Holz bestehen. Es bietet sich an, Robinie, Eiche, Hainbuche, Rotbuche oder ähnliche Hölzer zu verwenden. In die Mitte wird eine kleine Kuhle eingeschnitzt, dort rotiert das Ende der Spindel beim Verwenden. Um unnötige Reibung und Hitze im Handstück zu vermeiden, kann man grüne Blätter oder Gräser, Harz oder auch Ohrenschmalz in die Kuhle einbringen.
Die Spindel für den Bowdrill
Die Spindel sollte so lang sein, dass sie von der Spitze des kleinen Fingers bis zur Spitze des Daumens reicht, wenn die Finger gespreizt werden.
Über das zu verwendende Holz ranken sich Legenden. Die einen sagen, man sollte hart auf weich bohren. Die anderen sagen, man sollte weiche auf hart bohren. Wieder andere behaupten, man sollte Spindel und Brett aus dem gleichen, weichen Holz bauen.
Was man nun abreibt (Spindel oder Brett) ist für den Erfolg erst einmal egal. Es ist nämlich so: am Ende zählt Reibung und Hitze, die dann zu Abrieb führen. Je härter das verwendete Holz, desto länger braucht man für den Erfolg, aber härteres Holz sorgt auch für einen stabilere Glut. Aber: eine neue Kerbe in ein Brett zu schnitzen, dass geht schnell. Eine neue Spindel zu fertigen, dauert länger. Deswegen bevorzugen wir einen gleichharte oder härte Spindel, als das Brett.
Die Spindel sollte perfekt rund sein und nach oben hin schmaler zulaufen. Unten wird sie so geschnitzt, dass sie halb rund ist, oben sollte sie fast zu einer Spitze zulaufen. So gewährleisten wir, dass unten mehr Reibung entsteht, als oben im Handstück. Je unrunder die Spindel ist, desto mehr Kraft benötigt sie beim Bohren. Es ist daher wichtig, hier sehr sorgfältig zu arbeiten.
Je dicker die Spindel, dest mehr Kraft benötigt man, um eine Glut zu erzeugen. Allerdings erzeugt eine dickere Spindel mehr Abrieb und damit auch eine größere Glut, was uns dann beim entfachen hilft. Hier ist Ausprobieren angesagt. Jeder mag es ein wenig anders.
Das Bohrbrett
Das Brett sollte aus weichem Holz bestehen und mit dem Fingernagel eindrückbar sein. Manchmal eignet sich auch Holz, dass schon ganz leicht anfängt, morsch zu werden. Es sollte etwa 2cm dick sein und mit dem Werkzeug unserer Wahl zu einem Brett bearbeitet werden, welches auf beiden Seiten flach ist.
In diesem Brett kommt in einem Abstand (abhängig von der Dicke der Spindel) von etwa 1 1/2 Spindeldicken eine kleine Kuhle, in der das dickere Ende der Spindel läuft. Sie muss nicht tief sein, da sie am Anfang sowieso zuerst eingebrannt wird.
Das Zundernest
Zunderkunde ist so umfassend, dass wir dazu ohne Probleme einen eigenen Blogpost schreiben könnten. Daher hier nur soviel: es eigenen sich Gräser, Blätter, Rindenbast, Moos, Schilf oder sogar ein altes Vogelnest.
Wichtig ist nur, dass es so trocken wie irgend möglich ist und das es von fein in der Mitte nach außen gröber aufgebaut wird. In die Mitte des Nestes kann man zum Beispiel sehr gut Rohrkolbensamen, Löwenzahnsamen oder ähnliches Material einlegen. Dort kommt dann auch eine kleine Kuhle hinein, in die später die Glut gelegt wird. Den Zunder sammeln wir zuerst und packen ihn in eine Tasche nah am Körper, wenn er leicht feucht ist. Dort kann er dann schon einmal ein wenig trocknen.
Das Feuerholz
Vor dem Bohren legen wir uns bereits das Holz so zurecht, dass wir es dann schnell entzünden können, wenn wir die erste Flamme haben. Dazu nehmen wir Reisig, dünne Zweige und dickere Äste und ordnen sie so an, dass in der Mitte das feinste Material liegt und das gröbere Material davon entzündet wird, wenn die Flamme züngelt. Auch zum Feuermachen insgesamt könnte man einen kompletten Post schreiben, weil dieses Thema ebenfalls sehr umfangreich ist. Wir gehen aber davon aus, dass Menschen, die sich mit einer fortgeschrittenen Technik wie dem Bowdrill auseinandersetzen, auch schon einmal mit anderen Methoden Feuer gemacht haben. Sollte das nicht so sein oder falls ihr diese ganzen Techniken von der Pieke auf lernen wollte, seid ihr herzlich zu unseren Survival-Workshops oder der wildnispädagogischen Ausbildung eingeladen: hier lernt ihr diese Techniken von Anfang an.
Das Werkzeug
Falls ihr Werkzeug nutzen wollte (dazu raten wir am Anfang auf jeden Fall…) bietet sich ein gutes, stabiles Bushcraft- oder Survivalmesser an. Man kann auch ein Beil nutzen, das erfordert allerdings etwas mehr Geschick.
Welche Holzarten eigenen sich besonders gut?
Pappel
Weide
Lärche
Linde
Holunder
(Kiefer)
Ihr seid natürlich herzlich eingeladen, selbst zu experimentieren. Meine persönliche Bestzeit habe ich mit einer Spindel aus Bambus auf einem Bohrbrett aus Tuja erzielt. Das Handstück war ein Flusskiesel aus Granit, in dem ich mit Sand eine Kuhle gebohrt habe. Ihr seht, es kann und darf auch gerne exotisch werden. Wichtig ist, dass kann man nicht oft genug betonen, dass das Holz wirklich so trocken wie irgend möglich ist. Ein Set, dass abends noch gut funktioniert hat, kann am nächsten Morgen schon nur durch den Tau, der sich nachts bildet oder die höhere Luftfeuchtigkeit fast unbrauchbar werden. Es gibt natürlich auch Techniken, wie man mit feuchtem Holz Erfolg haben kann, aber die sind für Fortgeschrittene und erfordern sehr viel Geschick, Ausdauer, Kraft und Willen.
Die Durchführung
Wenn unser Set fertig gebaut ist, geht es an das eigentliche Feuermachen. Wir nehmen den Bogen in die linke Hand (bei Rechtshändern, sonst anders herum). Die Spindel legen wir so ein, dass sich die Schnur einmal (oder zweimal, je nach Technik) um die Spindel legt und die Schlaufe sollte auf der Seite sein, die vom Bogen abgewandt ist.
Dann legen wir die dünnere Spitze der Spindel in die Kuhle am Handstück, welches wir mit der rechten Hand halten und die dickere Spitze in die Kuhle am Bohrbrett.
Wir setzen dann den linken Fuss auf das Brett. Das Brett sollte mittig unter dem Fuss liegen und die Kuhle, in die wir bohren, sollte sehr nah am Fuss sein. Mit dem rechten Bein knien wir.
Wenn wir diese Position eingenommen haben, beginnen wir mit dem vorbohren. Dabei ist es wichtig, dass die Hand, die das Handstück hält, gegen das Bein gedrückt wird, damit wir so wenig wie möglich wackeln beim Bohren. Stabilität ist das A und O.
Wir fangen nun an, den Bogen langsam hin und her zu führen. Zuerst mit wenig Druck auf das Handstück und langsamen Bewegungen. Wir wollen am Anfang noch kein Rauch, sondern nur die Kuhlen formen und das Holz mit der ersten Wärme trocknen. Wenn die Spindel sauber und weich läuft, können wir anfangen, schneller zu bohren. Wenn wir den ersten Rauch sehen und die Kuhle im Brett schwarz und rund ist, nehmen wir die Spindel herunter. Nun schnitzen wir eine Kerbe in das Brett. Sie reicht von der Kante des Brettes bis fast in die Mitte der Kuhle und sollte einen Winkel von 45° haben. Sie dient dazu, später den Abrieb aufzufangen, der dann unsere Glut bildet.
Nun ist alles bereit für das eigentliche Feuerbohren. Doch zuerst legen wir unser Zundernest so hin, dass wir es leicht erreichen können, wenn wir eine Glut haben und außerdem sollte unser Feuer fertig aufgebaut sein, damit wir es sofort mit der ersten Flamme entzünden können. Außerdem legen wir ein dickes Blatt oder ein kleines Stück Rinde unter die Kerbe im Bohrbrett, damit wir unsere Glut damit auffangen können.
Wenn das alles erledigt ist, fangen wir genauso an, wie beim Vorbohren beschrieben. Zuerst langsam und mit wenig Druck, dann immer schneller werdend bohren wir in das Brett. Wenn sich erster Ruch bildet, achten wir darauf, ob sich Abrieb bildet. Der Abrieb sollte die Farbe von gemahlenen Kaffee haben und nicht zu fein, aber auch nicht zu grob sein. Wenn wir den ersten Abrieb sehen, können wir schneller und schneller werden und langsam auch den Druck erhöhen.
Sobald die Kerbe vollständig mit Abrieb gefüllt ist, braucht es am Ende recht viel Druck und ein paar kraftvolle, schnelle Züge, um den Abrieb zum glühen zu bringen. Wenn er glüht, ist der erste Teil geschafft. Wir legen Handstück, Spindel und Bogen aus der Hand und entfernen auch das Brett von der Rinde. Hierbei müssen wir sehr vorsichtig sein, damit die Glut nicht direkt kaputt geht. Es empfiehlt sich, mit dem Finger, dem Rücken des Messers oder einem Stock vorsichtig auf das Brett zu klopfen, während wir es hochnehmen.
Sobald die Glut auf der Rinde liegt und das Brett entfernt ist, haben wir Zeit. Zuerst fächern wir vorsichtig mit der Hand Luft auf die kleine Glut, bis sie wächst. Man kann auch die Rinde in die Hand nehmen und vorsichtig schwenken, damit die Glut mehr Luft bekommt. Wenn die Glut groß genug ist und schön orange leuchtet, legen wir sie ganz behutsam in die Kuhle unseres Zundernestes ein. Nun umschließen wir die Glut mit Zunder, nicht zu fest, aber auch nicht zu locker und beginnen, ganz langsam und gleichmäßig hinein zu pusten. Die Glut wächst und wächst und überträgt sich auf den Zunder. Dabei vertreibt sie auch die letzte Feuchtigkeit aus dem Zundernest. Deswegen ist es wichtige, nicht zu schnell zu arbeiten. Je feuchter der Zunder, desto mehr Zeit muss man sich mit diesem Schritt nehmen. Irgendwann, wenn wir viel starke Glut im Zunder haben, können wir stärker pusten und dann ist es geschafft: die erste Flamme lodert auf!
An diesem Punkt geben wir das brennende Zundernest in das vorbereitete Feuer und die Flamme schlägt dann auf das erste Zündholz über.
Der Moment der ersten Flamme ist magisch. Vor allem, wenn man es zum ersten Mal macht, spürt man, wie es uns verändert. Bowdrill ist nicht nur ein physischer Akt, sondern auch ein psychischer. Es wird viel Zeit und Übung brauchen, ein Set von Grund auf selbst zu bauen und erfolgreich zu nutzen. Wenn man es aber schafft, spürt man, wie sich große Kraft und Freude in einem ausbreitet und diesen Erfolg kann einem keiner nehmen. Deswegen nimmt Bowdrill auch in der Ausbildung zum Wildnispädagogen einen großen Platz ein, denn ohne die Überwindung und die nötige Hingabe wird man keinen Erfolg haben. Dieser Erfolg allerdings stärkt unser Selbstvertrauen und macht uns resilient.
Wir wünschen euch viel Spass beim Ausprobieren!